BERLINER PHILATELISTEN-KLUB VON 1888 E.V.


Große Vorlage der 2402. Sitzung vom 1.Oktober 2001


Ein Ausschnitt aus dem Vortrag von Herrn Hansmichael Krug:
"Ortsporti der Brustschildzeit"

(Der komplette Vortrag wird in den Mitteilungen veröffentlicht.)

Das Porto für Briefe von Ort zu Ort betrug zur Zeit der Verwendung der ersten Reichspostmarken, den sogenannten Brustschildmarken, vom 1.1.1872 bis zur Einführung der einheitlichen Mark/Pfennig-Währung am 1.1.1875, ohne Unterschied der Entfernung:
Bis 15 Gramm1 Groschen oder 3 Kreuzer und
 2 Groschen oder 7 Kreuzer für schwerere Briefe bis 250 Gramm.

Im Gegensatz dazu war das ermäßigte Porto für Ortsbriefe regional abhängig unterschiedlich hoch.
Bekannt sind Ortsbriefe aus dem Gebiet der Thaler/Groschen-Währung mit ¼-, 1/3-, ½ – und 1- Groschen-Frankaturen und aus dem Gebiet der Gulden/Kreuzer-Währung mit 1- und 2- Kreuzer-Frankaturen. Dazu kommen noch die Ortsbriefe aus Hamburg mit ½ Schilling-Frankaturen.
Die Umrechnung der Währungen untereinander war nicht ganz einfach, da 2 Groschen genau 7 Kreuzer und 1½ Groschen genau 2 Hamburger Schillinge entsprachen.
Diese Umrechnungen führten meist zu Brüchen bzw. Dezimalzahlen. Man war daher im Post- und Zahlungsverkehr auf Auf- und Abrundungen entsprechend den Briefmarkenwertangaben bzw. den Münzenwerten angewiesen.
Die folgende Karte zeigt das Gebiet des Deutschen Reiches und dessen Währungsgebiete vor der Einführung der Mark-Währung.


Erst mit der Einführung der Mark/Pfennig-Währung zum 1.1.1875 wurde am 18.12.1874 verfügt, daß ab dem 1.1.1875 alle Ortsbriefe/Karten einheitlich im gesamten Reichspostgebiet 5 Pfennige kosten sollten. Ausnahmen hiervon bildeten Berlin (bis zum 31.3.1900 kostete dort ein Ortsbrief 10 Pfg.) und die OPDen Darmstadt, Karlsruhe und Konstanz, denen bis zum 30.6.1875 eine Übergangsregelung (Ortsbriefe 3 Pfg.) zugestanden wurde.
Eine Erklärung der unterschiedlich hohen Ortsfrankaturen bei gleicher Dienstleistung liegt darin, daß die Gesetze über das Posttaxwesen des Norddeutschen Bundes und das des Deutschen Reiches für Ortssendungen keine Gebührenangaben machten und lediglich bestimmen, daß die bisher geltenden Gebühren und Vorschriften beibehalten werden sollten.
Diese Vorschriften aus der Zeit der „Deutschen Vielstaaterei“ sind allerdings tatsächlich sehr verschieden. Nicht nur die Höhe der Gebühren, sondern auch ihre Bezeichnung und Bedeutung sind unterschiedlich. So gibt es u. a. in einigen Staaten den Begriff des Stadtbriefes in anderen nur den Begriff des Bestellgeldes für Sendungen in den eigenen Zustellbezirk.
Das Gesetz über das Posttaxwesen des Deutschen Reiches vom 28.10.1871 hebt durch seinen § 8 die Bestellgebühren für alle Briefpostgegenstände zum 1.1.1872 auf. Ab diesem Zeitpunkt kann man ganz allgemein die Gebühr für Orts-Briefpostsendungen als Ortsporto bezeichnen.
Dabei ist es wichtig zu wissen, daß die Deutsche Reichspost vor dem 1.4.1900 nur ein Monopol für Sendungen von einem zum anderen Ort hatte, nicht aber für Sendungen im Orts- und Landzustellbezirk der Aufgabepostanstalt. In größeren Städten bestanden daher neben der Reichspost oft private Postanstalten, die ihre Dienste und Gebühren wesentlich preisgünstiger als die Deutsche Reichspost anboten.
Gemessen am Einkommen war das Porto von Ortssendungen sehr hoch, so daß Briefe und andere Sendungen sehr oft durch Dienstboten oder andere Hilfskräfte bestellt wurden. 1870 betrug z.B. der durchschnittliche Wochenlohn einer Näherin 25 Groschen, der eines Webers ca. 2 Thaler = 60 Groschen.
Aus den genannten Gründen sind Ortsendungen mit Brustschildfrankaturen nicht häufig.
Im folgenden werden die unterschiedlich hohen Brustschild-Frankaturen auf Ortssendungen nach Sendungsarten getrennt mit aufsteigendem Wert vorgestellt und beschreiben. Die gezeigten Abbildungen stammen von Belegen aus der Sammlung des Verfassers.

1. Ortsbriefe
A: ¼ Groschen-Frankaturen



¼ Gr. großer Schild auf Ortsbrief mit aptiertem Thurn und Taxis EKr. APOLDA
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach (OPD Erfurt)


In allen Staaten welche ihre Posthoheit an die Fürsten von Thurn und Taxis übertragen hatten, und in der Thaler/Groschen-Währung rechneten betrug das Bestellgeld für Ortsbriefe bis zu 250 Gramm ¼ Groschen. Da die Vorschriften übernommen wurden betrug in diesen Staaten das Ortsbriefporto ebenfalls ¼ Groschen.

Es sind die Staaten:DR Oberpostdirektion
Großherzogtum Sachsen-Weimar-EisenachOPD Erfurt
Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha (Landesteil Gotha)OPD Erfurt
Fürstentum Reuß jüngere Linie (Schleiz)OPD Erfurt
Fürstentum Reuß ältere Linie (Gera)OPD Erfurt
Fürstentum Schwarzburg-SonderhausenOPD Erfurt
Fürstentum Lippe-DetmoldOPD Münster
Fürstentum Schaumburg-LippeOPD Münster
Ehemaliges Kurfürstentum HessenOPD Kassel
Ehemaliges Herzogtum NassauOPD Frankfurt a.M.
Ehemalige Landgrafschaft Hessen-HomburgOPD Frankfurt a.M.



¼ Gr. kleiner Schild auf Ortsbrief, Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha (OPD Erfurt)



¼ Gr. großer Schild auf Ortsbrief von Gera, Fürstentum Reuß ältere Linie (OPD Erfurt)